Eva Haller
Ich möchte Dich bitten, Dich kurz vorzustellen.
Mein Name ist Eva Haller und ich lebe seit 2007 in München. Also ich bin relativ eine Neuzugewanderte, wie man das so schön hier sagt. Und ich leite die europäische Janusz-Korczak-Akademie in München und in ganz Deutschland. Wir haben drei Häuser, also unser Haupthaus ist in München, unser zweites Haus ist in Berlin, und das Dritte ist in Duisburg, für ganz Nordrhein-Westfalen. Also wir sind eine jüdische Bildungseinrichtung, und wir sind eine Bildungsplattform. Und wir haben mehrere Schwerpunkte.
2 [0: 00:12] : 2. Take;
2 [0: Wir sind eine Bildungsplattform, eine jüdische Organisation. Und unser Namensgeber ist Janusz Korczak. Ich werde gleich ein paar Worte zu ihm sagen, wir haben drei Korzcak Häuser in Deutschland. Unser Haupthaus ist hier in München zentral, und wir verwalten alle Programme von München aus.
Unser zweites Haus ist in Berlin, und das dritte ist in Duisburg. Für ganz Nordrhein-Westfalen. Janusz Korczak, sein bürgerlicher Name, ist eigentlich Henrich Goldschmidt und er lebte in Warschau. Er war eigentlich weit seiner Zeit voraus. Er kam aus einer säkulären Familie, also jüdisch. Schon, aber sage ich mal nicht sehr orthodox ausgerichtet, religiös ausgerichtet. Er war ein Einzelkind und sehr behütet. Und eigentlich ich fasse jetzt ein bisschen zusammen:
Unser zweites Haus ist in Berlin, und das dritte ist in Duisburg. Für ganz Nordrhein-Westfalen. Janusz Korczak, sein bürgerlicher Name, ist eigentlich Henrich Goldschmidt und er lebte in Warschau. Er war eigentlich weit seiner Zeit voraus. Er kam aus einer säkulären Familie, also jüdisch. Schon, aber sage ich mal nicht sehr orthodox ausgerichtet, religiös ausgerichtet. Er war ein Einzelkind und sehr behütet. Und eigentlich ich fasse jetzt ein bisschen zusammen: Von Anfang an wollte er etwas für Kinder machen. Er war auch im Ersten Weltkrieg, hat den Horror des Krieges ja auch kennengelernt. Und er hat vor allem viele Kinder in Warschau gesehen, die nicht so behütet und wohl aufgenommen und Bildung genießen konnten wie er. Er ist Arzt geworden, und er hat zwei Waisenhäuser in Warschau geleitet, ein katholisches und ein jüdisches und als dann 39, der Krieg ausbrach und die Verfolgungen auch in Warschau anfingen, musste er mit seinen jüdischen Kindern, also mit dem jüdischen Waisenhaus , ins Warschauer Ghetto ziehen. Und während gerade dieser schrecklichen, dunkelsten Zeit der jüdischen Geschichte, hatte er eigentlich das Wichtigste zu seinem sogenannten pädagogischen Nachlass der Erziehung hinterlassen. Er hat sehr viel geschrieben und beobachtet die Kinder. Er ist eigentlich, wenn man so möchte, der Vater der Kinderrechte, was sehr viel später 1956, dann von der Uno anerkannt worden ist, aber formuliert, und das ist das Wichtigste, hatte er eigentlich die Magna Charta libertatis der Kinderrechte schon, wie schon vielleicht früher gesagt habe, weit vor unserer Zeit. Und das, was Vieles heute so selbstverständlich ist mit den Kinderrechten, die wir ja alle kennen, wenn wir zurückdenken an die Zeit, war das sicherlich ein Novum und in dieser Zeit hat er das alles festgelegt, dass die Würde des Kindes wahnsinnig wichtig ist und überhaupt seine ganze Pädagogik. Sie ist nicht so eine Pädagogik wie von Steiner oder Pestalozzi. Oder wo man, sage ich mal, die Pädagogen genau gesagt haben, wie man ein Kind erziehen soll. Eigentlich. Es ist nicht im strengen Sinne eine Pädagogik, der Angaben oder der Anweisungen. Es ist eine Pädagogik des Herzens.
2 [0: 04:29] :
2 [0: Also seine Pädagogik ist die Pädagogik des Herzens, das heißt, was er eigentlich festgelegt hat, wenn man das Wort festlegen so benützen kann, ist, wie man ein Kind lieben soll. Und das ist eigentlich die Basis, wie man ein Kind erziehen soll, das wissen wir ja alle, dass die Sprache des Herzens eigentlich das Wichtigste ist. Aber er ist selbstverständlich sehr viel weiter gegangen als nur das. Und er verkörpert eigentlich etwas sehr jüdisches, und dieses sehr jüdische ist das, was wir kennen, aus unseren Schriften, es nennt sich auf Hebräisch jetzt die Tikkun Olam und Tikkun Olam bedeutet Reparatur der Welt, und die Welt kann repariert werden. Gemäß unserem Wissen durch zwei Sachen, durch Bildung und durch Respekt. Und das ist auch die Basis für Janusz Korczak also das alles jetzt zusammengefasst, sind die Grundprinzipien der europäischen Janusz Korczak Akademie, nachdem wir alle unsere Projekte und Programme ausrichten. Wir haben trotzdem noch zwei feste Säulen, die wir uns zu Grunde gelegt haben, für die Akademie. Das eine ist jüdisches Wissen und Ausbildung nach innen. Das heißt, wir bilden sehr viele junge Leute aus, die nachher zum Beispiel, also nicht jetzt in Religion, sondern überhaupt allgemein im jüdischen Wissen und Kultur und was immer damit verbunden ist. Diese jungen Leute gehen dann in die jüdischen Gemeinden zurück und werden unsere zukünftigen Leader. Das ist also eine innerjüdische Ausbildung, nicht nur für München oder Deutschland, sondern für den ganzen deutschsprachigen Raum und das Zweite, was wir machen, was auch fest in unser Programm ist , ist das Interreligiöse, der interkulturelle Dialog. Und zwar dadurch, dass wir eine jüdische Stimme sind, sage ich jetzt mal so und eine Bildungsplattform sind, vertreten wir die jüdische Gemeinschaft und wie wir wissen auch das Judentum ist sehr breit und vielfältig aufgestellt. Das heißt in unserer Akademie kann sich jeder wiederfinden, egal, ob er sehr streng orthodox ausgerichtet ist oder ganz Liberalen ausgerichtet ist. Unsere Programme umfassen alles, ja also von bis, jeder kann sich bei uns wohlfühlen. Und auch ganz besonders im interkulturellen und interreligiösen Dialog sind wir, glaube ich, ganz aktiv und selbstverständlich. Wir haben ganz verschiedene Projekte gegen ( für) Radikalisierungsprävention, gegen Antisemitismus, gegen Rassismus und alles, was uns heute halt so bewegt. So weit, jetzt zu meiner Person.
2 [0: 07.21
2 [0: Magst du noch was zu Dir persönlich sagen? Wie alt bist Du? Wie lebst Du? Kinder?
2 [0: Gerne. Also, ich werde dieses Jahr 75 Jahre alt, und ich bin verheiratet. Ja, ich habe zwei eigene Kinder. Ich habe auch zwei noch dazu Kinder begleitet, ohne sie adoptiert zu haben, aber eigentlich vier, weil sie mit uns zusammen als Familie aufgewachsen sind, auch wenn sie nicht offiziell adoptiert waren. Ich habe sieben Enkelkinder,
2 [0: Und ja, ich glaube, das ist schon mal eine Zahl.
9 [0: 08:03] :
9 [0: Wie bist du zu diesem Team, Interreligiöser Dialog, zu unserer Gruppe dazugekommen, wo kamen die Verbindung her?
13 [0: 08:20] :
13 [0: Also angefragt wurden wir schon vor mehreren Jahren durch Rogger Schmidt vom die Art Lob vom Studienzentrum Josefstal, genau, wo er uns angesprochen hat, dass er vorhatte, so eine Ausbildung anzubieten. Und ich fand das sehr wichtig und auch sehr interessant, weil ich denke mir, man lebt zwar in einem Land in einer Stadt, auch in einer Gemeinde sehr oft, aber man kennt sich sehr wenig, und es ist eigentlich wichtig, gerade als Dialogbegleiter, je nachdem, in welcher Funktion, welchen Beruf man hat, mehr über den Anderen zu wissen. Ja, weil nur so kann ehrlicher Dialog auch stattfinden. Und so kann auch eine Vernetzung stattfinden, weil wir leben ja alle nicht im Vakuum. Und er hat uns angesprochen, wie gesagt, es ist jetzt schon, ich weiß gar nicht, in welchem Jahr das war. Ich glaube, 17 oder 18, ungefähr , also 2017 oder 18. Und zuerst war ich nicht so stark involviert. Wir haben jemanden gehabt, der akademisch zu dem Zeitpunkt, ich meinte, sehr dafür geeignet war. Aber leider hat sich dann herausgestellt, dass diese Person weniger geeignet, weil als wir eigentlich gehofft hatten. Und dann habe ich gedacht mir ist das doch sehr wichtig, diese Ausbildung, weil wir gerne im Dialog bleiben möchten und dabei sein möchten. Und dann habe ich es übernommen. Und so bin ich dann ganz aktiv hier eingestiegen.
14 [0: 10:08] :
14 [0: Was kann der Kurs leisten, welche Aufgabe hat der Kurs für Dich ?
14 [0: Also er erstes mal, sich kennenlernen. Die menschliche Seite ist für mich wahnsinnig wichtig in diesem ganzen Dialog, weil ich denke mir, man kann nur ein Dialog -begleiter sein, wenn man die andere Seite versteht, und über sie Bescheid weiß und von ihr auch annimmt und auch lernt und auch zuhört. Und ich glaube, das sind wahnsinnig wichtige Elemente. Und für mich ist es auch wichtig, dass jeder Kurs, denen wir ausbilden, ein Netzwerk bildet und das, egal, wohin er geht, automatisch ein Multiplikator für uns wird, für uns alle meine ich jetzt, egal, welcher Religion wir angehören und genau da einschreiten kann oder etwas bewirken kann oder etwas korrigieren kann, weil er sagen kann, so ist es nicht. Und auch die Courage dann hat ein Nein zu sagen und eine Korrektur einzusetzen und dadurch eigentlich unsere Gesellschaft auch weiterbringt. Und dieses Netzwerk, denke ich mir, ist etwas sehr aktives, und es wird sich einfach weiter entwickeln. Und es ist wichtig, dass wir heute diese Netzwerke bilden.
14 [0: Warum denkst du, dass das wichtig ist, solche Netzwerke zu bilden?
10 [0: 11:41] :
10 [0: Ich bin mir ganz sicher, dass es wichtig ist, solche Netzwerke zu bilden, weil uns, weil wir auch in diesem Kurs, eigentlich das Spiegelbild unserer Gesellschaft sind. Und es zeigt sich, wie wir es auch erfahren haben in diesem und auch im vorherigen Kurs. Dass wenn man sich persönlich kennenlernt und viele Vorurteile abbaut und einfach mit Respekt miteinander umgeht, dass wir das auch in die Gesellschaft mit einbringen können. Und gerade in der heutigen Zeit, in dieser unruhigen Zeit, wo wieder der Krieg mitten in Europa ist, wo wieder die Menschen schrecklich auch gegeneinander sich benehmen und sich angreifen, denke ich mir, dass es ganz wichtig ist, uns als Vorbilder. Ich weiß nicht, ob wir wirklich Vorbilder sind. Aber wir können auch diese Funktion der Vorreiter und der Vorbilder zu sein, dass man auch ein Dialog führen kann, auch wenn man nicht der gleichen Meinung ist, ohne sich gegenseitig zu verletzen, zu beleidigen und sogar einen Schritt weiterzugehen, sich wehzutun.
9 [0: 12:57] :
9 [0: Dialogbegleiter klingt auch so riesig groß, ganz praktisch gesehen. Was sollen die Teilnehmer lernen, welche Qualifikation oder welche Fähigkeiten sollten sie selbst auch vielleicht neu bei sich entdecken?
18 [0: 13:11] :
18 [0: Ich glaube, das Wichtigste ist zuhören, auf dem anderen zugehen, versuchen, sich ein bisschen selber zurückzunehmen und nicht sofort mit einer fertigen Meinung auf den anderen loszugehen, sondern sich die Zeit zu nehmen, zuzuhören und den anderen anzunehmen, als solcher, wie er ist. Ich glaube, das sind ganz wichtige Eigenschaften. Und ich glaube, dann gibt man auch die Möglichkeit, einen Raum zu schaffen, des Vertrauens einen Safe place. Und dann kann man auch anders miteinander sprechen, wie ich gesagt habe, und jeder einzelne von uns, kann was verändern. Davon bin ich überzeugt. Jeder Einzelne kann was verändern in seinem Zuhause, in seiner Arbeit, in seiner Organisation, in seiner Kirche. Egal, wo. Wir können was verändern. Wir müssen nur uns bewusst werden.
20 [0: 14:15] :
20 [0: Du stehst ja für die jüdische Religion innerhalb unseres Kurses, jetzt hatten wir die das Seminar zum Thema Antisemitismus und auch Antiislamismus. Was ist deine persönliche Erfahrung, man liest es in der Zeitung. Die Angriffe sind gestiegen. Ist der Antisemitismus wieder mehr geworden? Was ist deine Erfahrung? Und wie könnt Ihr als Akademie darauf auch reagieren?
21 [0: 14:50] :
21 [0: Also der Antisemitismus hat ja leider Gottes eine über 2000 Jahre alte Geschichte. Sie hat sich nur gewandelt, ja, im Laufe der Jahrhunderte. Mal hieß es so, mal war es der Antijudaismus, heute ist es der Anti-Zionismus, der heute ist er versteckt eigentlich mit der Israelkritik und so weiter und so fort. Ich meine, der Antisemitismus ist ja nichts Neues. Okay, er hat sich nur im Laufe der Jahrhunderte gewandelt. Okay, er ist da. Er war nach dem Zweiten Weltkrieg sicherlich nicht salonfähig. Das ist klar, und er war, sage ich mal ein bisschen so unter dem Teppich gekehrt. Es hat sich nicht gut angehört, als Antisemit irgendwelche Meinungen anzusagen. Jetzt haben wir aber 75 Jahre danach. Und Gottseidank gibt es Israel. Und wann greift dieser Antisemitismus? Hat sich zum Beispiel in dem Sinne jetzt sehr gewandelt, dass man heute sagt na ja, man darf ja wohl noch Israel kritisieren. Selbstverständlich darf man Israel kritisieren, ich selber kritisiere auch vieles, was ich nicht gut finde oder nicht richtig finde. Aber es ist ein großer Unterschied, so der Sache, oder sage ich mal, von hinten reinzugehen, anstatt so offen zu sagen, wenn man irgendetwas Antisemitisches sagen möchte.
21 [0: Ja, die Vorfälle haben zugenommen, also nicht nur rein statistisch, was wir wissen, sondern auch physisch. Ja, wir haben ja Halle gehabt. Wir haben Berlin. Wir wissen, dass auf den Straßen hier Gottseidank in München nicht, jedenfalls meines Wissens nicht. Aber in Berlin ist auch offener Antisemitismus auf den Straßen möglich, mit körperlichen Angriffen. Das ist schon sehr beunruhigend. Das ist richtig. Also, es ist nicht nur eine Fantasie, dass der Antisemitismus viel stärker geworden ist, sondern leider eine Realität, egal unter Wasser sich versteckt. Er ist da, und dem muss man entgegenwirken. Und zu der Frage, ob, was wir jetzt machen, also erstens mal wir haben diese Kurse also, wir haben mehrere. Wir haben nicht nur eins, wo wir ganz aktiv gegen Antisemitismus ausbilden, unsere eigenen Leute, also unsere eigenen Referenten, die dann als Multiplikatoren in den Organisationen reingehen. Ob das bei der Polizei ist, ob das in den Kommunen ist, ob das bei von anderen Organisationen angefragt wird. Und wir arbeiten sehr, sehr stark im Jugendbereich.
Also, wir haben ganz spezifische Projekte. Eins davon ist eine Ausstellung, die sehr, sehr erfolgreich ist. Wir sind gerade dabei, sie zu digitalisieren. Sie heißt: Mit Davidstern und Lederhose. Also sie ist sehr, sehr, wirklich wichtig und zeigt jüdisches Leben, dass es einfach nur auch in Bayern spezifische Heimatgeschichte ist. Ich meine, die Juden sind ja hier seit 1700 Jahren. Sie sind jetzt nicht vom Himmel hierher gefallen, sondern es gibt eine sehr lange Tradition und jüdisches Leben in Deutschland. Und auch in Bayern, also. Davidstern und Lederhose ist eins von diesen Projekten. Ein weiteres ist unser Youthbridgeprojekt, was auch unwahrscheinlich wichtig ist. Und das ist ein absolut Antiradikalisierungs -/ Präventionsprojekt. Und es ist absolut interkulturell aufgebaut. Also so ähnlich sage ich mal wie Dialogbegleiter, aber im Jugendbereich. Und da sind Jugendliche zwischen 15 und 23 Jahren, die in diesem Projekt eingebunden sind. Und wir sind jetzt bei sechsten Staffel, und jeder einzelne von ihnen ist eine Perle, wirklich ein Diamant, nicht nur eine Perle als Multiplikator, weil wir haben diese Jugendlichen aus über 27 Communities aus München und ganz Bayern jetzt schon. Und jeder einzelne geht in ihre eigenen Community zurück nach einer zweijährigen Ausbildung. Und sie tragen diesen Gedankengut der Vielfalt und des Respekts mit sich. Und das ist das Spiegelbild unserer Gesellschaft.
22 [0: 19:11] :
22 [0: Gibt es ein Geheimnis oder ein Patentrezept dafür, wie der Interreligiöse Dialog gelingt?
22 [0: Nein. Also Patentrezepte kenne ich leider nicht. Die sind mir auch nicht bekannt. Würde ich gern für auch eins bekommen, um zu wissen, wie viel Mehl, wie viel Wasser und wie es zu mischen. Nein, kenne ich leider nicht.
22 [0: Unser. Also alles, was wir machen, bei Janusz Korczak als Projekt ist Doing by Learning. Das heißt wir, wir starten ein Projekt, und wir gehen mit diesem Projekt mit. Wir beobachten und lernen. Und wenn wir sehen, dass irgendetwas nicht richtig läuft, dann reagieren wir blitzschnell und haben Korrektur dabei. Ich glaube, diese Flexibilität muss man sich haben. Patentrezept habe ich leider nicht.
16 [0: 20:20] :
16 [0: Wir haben in Josefstal auch darüber gesprochen, dass es auch Grenzen geben muss. Wie würdest du das beschreiben?
16 [0: Ich komme einfach auf das Wort Respekt zurück. Ich glaube, im Dialog muss jeder wissen, wo er selber ist, also ein Selbstwertgefühl haben. Selbstverständlich. Man muss wissen, wer man ist, woher man kommt. Und auch religiös sage ich mal, wo man zu Hause ist und verankert ist. Aber man muss auch wissen, sich Grenzen zu setzen. Das heißt, dass man, ohne jetzt mit irgendeinem Faustschlag oder sonst was zu sagen ich, das ist jetzt meine Grenze. Du überschreitest sie jetzt, und das tut mir nicht gut. Und ich möchte dich bitten, dass du das beachtet. Man muss gar nicht die Stimme auf irgendwie auf Laut oder Gewalt. Irgendwie. Ich denke mir, man kann dem Anderen sehr gut vermitteln, wo man auch selber Grenzen hat und wo man möchte, dass diese Grenzen auch eingehalten werden. Selbstverständlich kann es auch übergangen werden oder so. Dann muss man abbrechen. Auch dieses Privileg muss man sich dann nehmen und sagen es tut mir leid. Ich glaube, hier kommen wir jetzt nicht weiter. Ich glaube, es ist besser, das Gespräch jetzt hier zu beenden und morgen vielleicht darüber neu wieder anzufangen,
20 [0: 21:37] :
20 [0: Wir hatten auch im Nachdenken über den Interreligiösen Dialog den ganz konkreten Fall. Dass wäre auch miteinander gemerkt haben. A-ha. Es ist manchmal vielleicht auch gut gemeint, vielleicht von einer christlichen Gemeinschaft, die jemand aus einer anderen Religion einladen wollte und dann möglichst gleich noch deren Rituale vorführen.
20 [0: Kannst Du Dich erinnern? Also es geht so ein bisschen um dieses. Inwiefern müssen wir auch respektieren, dass wir möglicherweise auch mit gutem Willen Grenzen überschreiten?
26 [0: 22:17] :
26 [0: Dieses Feingefühl? Ja, also, ich glaube, da gibt es auch kein Patentrezept. Das muss selbstverständlich jeder für sich selber erspüren. Es ist sicherlich auch eine Sache der Erfahrung, je mehr man in diesem Bereich arbeitet und mit Menschen zu tun hat, zu erspüren auch durch die Körpersprache des Anderen. Also man muss als Dialog-begleiter auch ein sehr genauer Beobachter sein. Und die kleinsten , Mimik-Veränderungen oder Körperveränderungen, Körpersprache ist ja wahnsinnig wichtig. Oder Stimmveränderungen ja Stimmungsveränderungen wahrnehmen, um beim anderen zu merken ich glaube, das ist jetzt zu weit. Stopp ja, aber das ist, das kann man auch nicht mit Patentrezepten sagen. So oder so machen, dass das ist, vielleicht die Erfahrung, die man mit den Jahren dann bekommt.
26 [0: 23.11.
9 [0: 23:18] :
9 [0: Die Gruppe, die wir sind, hat ja doch einen ziemlichen Überhang an christlichen Teilnehmern, wenn wir mal so schauen. Was habt ihr für Gedanken, wie könnte die Gruppe vielleicht noch vielfältiger werden?
18 [0: 23:33] :
18 [0: Also, ich denke mir, wir leben nun mal in Deutschland. Und as christliche Übergewicht ist nun mal das christliche Übergewicht, was ja auch okay ist. In dem Fall, auch von der jüdischen Seite ist es noch zum Teil so, dass viele sich vielleicht noch nicht trauen, sage ich jetzt einfach, ich weiß es nicht im Muslimischen, wie es ist, weil da die und aber wir sind einfach sehr wenige. Es ist es ist wirklich eine Zahl, die ich sage, wir sind in Deutschland, glaube ich, in ganz Deutschland. Ich glaube, ich irre mich nicht, so um die 120.000 Menschen in ganz Deutschland. Das heißt, wir sind zahlenmäßig sehr, sehr wenige, und das teilt sich dann noch mal auf in den verschiedensten Berufen, wie das halt so ist. Und, und, und das, glaube ich, spiegelt sich dann auch wieder. Aber ich glaube, auch bei uns verändert sich etwas, dass die Jugend, die Jugend ich merke das auch in unseren eigenen Projekten, sich immer mehr und mehr im interreligiösen und kulturellen Dialog jetzt langsam einbringt. Also es ist auch eine Generationsfrage. Das heißt also die ältere Generation, die wollte damit wenig zu tun haben zu Hause bleiben, bei sich. Aber die junge Generation verändert sich jetzt, und sie geht nach außen. Also da bin ich sehr zuversichtlich, dass da der Generationswechsel noch mal was Neues bringen wird.
9 [0: 25:14] :
9 [0: Über meine Gespräche hat sich eine Frage herauskristallisiert, die ich auch allen stelle, aber sie ist sehr persönlich, muss du selber sagen. Inwiefern du die beantworten möchte, und zwar zu wem betest du, wenn du betest ?
16 [0: 25:32] :
16 [0: Also im Judentum haben wir keine Vorstellung von Gott. Das Judentum ist, wenn man so möchte, eine spirituelle Vorstellung. Also es gibt keinen physischen Gott, ja also mit weißem Bart oder so eben wie ich sage ich jetzt mal so eine physische Darstellung
27 [0: 25:53] :
27 [0: Einfach an diese positive spirituelle Kraft, auch wenn ich Ihn zum Beispiel lieber Gott nenne. Aber ich habe keine Vorstellung. Bei mir ist null Vorstellung also keine physische Vorstellung. Aber es ist dieses, diese innere Sicherheit. Nenne ich das jetzt mal so, dass etwas da ist und das wohlwollend mir gegenüber ist. Und dann kann ich es auch als lieben Gott ansprechen, ohne ihn mir irgendwie vorzustellen. Ich brauche keine Vorstellung dafür, einfach nur das Gefühl des Wohlwollens.
9 [0: 26:34] :
9 [0: Aber es gibt ja so ein Konzept. Ich frage jetzt einfach neugierig nach, weil du ja die Fachfrau ist. Ist die ist die göttliche Vorstellung eher was, was von außen kommt, oder ist es was, was in uns ist und irgendwie sich aktivieren kann, durch bestimmte Einstellungen?
29 [0: 26:53] :
29 [0: Ich glaube, ich glaube, es ist ein ein Geben und Nehmen, ja also erstens weil, wir kommen ja aus einem Familienverbund und das, was unsere Eltern auch uns mitgegeben haben. Das ist ja schon sozusagen in die Wiege gelegt worden. Ja, und ich glaube, das ist so eine Wechselwirkung. Es ist in uns, aber es ist auch von außen in uns hinein. Es ist so eine Wechselwirkung. Ja, so würde ich sagen
9 [0: 27:28] :
9 [0: Und von außen gesehen. Und das hast du vorhin auch schon angesprochen. Das ist ja auch die Bandbreite, genau wie in all unseren Religionen, auch im Judentum sehr, sehr weit. Und von wo nach wo geht es und kann man irgendwie zuordnen. Wer wohin gehört für mich als Nichtwissende?
31 [0: 27:46] :
31 [0: Ja, also, wir haben ja sogenannte Dresscodes. Ich nenne das immer so. Selbstverständlich erkennt man einen sehr orthodoxen Juden schon an seinem Dresscode, ja? Wir haben in München, glaube ich, kaum welche. Aber wir kennen diese Bilder aus Israel zum Beispiel und aus New York, aus Brooklyn oder so. Das sind diese Männer, also Männer jetzt in dem Sinne, dass die schwarz gekleidet sind. Dass sie Schläfenlocken haben, dass sie diese zylinderartigen schwarzen Hüte haben. Also dieses Dresscode zeigt sich schon von außen. Die Frauen sind auch sehr religiös, nur mit langen Ärmeln bekleidet. Lange Kleider also, das kennt man schon einfach durch, wie sie angezogen sind. Und von da, bis zum Liberalen gibt es alles. Ja also ich fühle mich eingeordnet, sage ich jetzt mal so, ungefähr in die Mitte, also traditionell orthodox ausgerichtet, weil ich aus diesem familiären Hintergrund komme, ohne jetzt besonders religiös zu sein. Also bei mir wird man im Dresscode gar nichts merken. Auch bei meinem Mann nicht ja. Und je weiter wir zu den Liberalen gehen, umso weniger auch gar nicht. Das heißt also vor meiner Mitte zur Orthodoxie, kann man zum Beispiel auch durch die Kipa, es gibt ja eine ganze Wissenschaft drüber in der Zwischenzeit, wie zum Beispiel die Kippot, also diese kleinen Kopfbedeckungen, gehäkelt oder oder gestrickt sind, mit welchen Farben sie belegt sind. Sogar das kann eine bestimmte Ausrichtung sagen. Also das ist in der Zwischenzeit so eine Wissenschaft für sich. Ich kennen mich da nicht besonders gut aus. Aber wie gesagt, durch solche Merkmale kann man dann schon auch von außen sehen, wo ein traditioneller Jude oder Jüdin sich einordnet. Aber ab dieser modernen Mitte, nennen wir mal so bis zum liberalen Judentum wird man von außen wahrscheinlich keine Merkmale finden. Also das ist dann neutral.
9 [0: 30:11] :
9 [0: Genau was ist so ein Plan, weil wir werden jetzt fertig? Im Juni. Und könnte ihr schon so drauf schauen, was ihr noch verändert werdet? Jetzt aus den Erfahrungen dieses Kurses, wird ja jetzt noch wieder anders. Hoffentlich könnt ihr euch jetzt immer wieder Präsenztreffen machen?
32 [0: 30:41] :
32 [0: Ja, das hoffen wir sehr. Wir werden selbstverständlich uns zusammensetzen, und wir werden eine Evaluation innerhalb des Teams machen. Und wir werden uns anschauen, was gut gelaufen ist, was gut angenommen worden ist, was weniger erfolgreich ist, das muss man einfach machen bei jedem Projekt. Und ich denke mir genauso wie bei Janusz Korczak werden wir dann Korrektur einsetzen, wenn was nötig ist oder andere Referenten noch mal ansprechen und andere Themen oder auf ganz aktuelle Sachen eingehen, oder auch andere Kooperationspartner vielleicht dazu einladen, wie zum Beispiel also ich habe persönlich noch ein anderes Projektes nennt sich Fraueninsel. Das ist jetzt spezifisch für Frauen ausgerichtet, verschiedene Themen, dass man vielleicht auch mit anderen Organisationen sich noch mal verbindet und die noch mal reinholt, um auch die Authentizität aus der Religion noch mal präsent zu haben. Also ich denke mir, es werden noch Änderungen oder Erneuerungen. Ich weiß nicht, ob Änderungen, aber Erneuerungen dazukommen, einfach geprägt durch die Erfahrung. Ich meine, wir lernen ja auch hier bei dieser Ausbildung. Was wir und wie wir es weiter gestalten können.
32 [0: Eine Frage, die zum Beispiel bei Hubert aufkam, dass er sich wünsche würde, dass zum Beispiel die asiatischen Religionen auch vertreten wären.
35 [0: 32:12] :
35 [0: Ja, zum Beispiel, die sind ja gar nicht vertreten. Ja, also nichts vom Buddhismus. Brahamismus, äh, nichts von den Jesiden ist bekannt, zum Beispiel nur als Beispiel ja, aber die Jessiden sind sowieso sehr schwierig, irgendwie in irgendeine Gemeinschaft einzufassen. Bahai auch. Also es gibt ja noch viele Ausrichtungen. Aber es wird gerade hier in München jetzt, ich bin in dem Vorstand, Haus der Kulturen und Religionen ist gerade dabei, sich zu konstituieren und ein Zuhause aufzubauen. Auch das wird wahrscheinlich dann eine Rolle spielen, weil das so Querverbindungen sein werden, wo dann vieles in Synergien auch wieder zusammenfließen kann. Ja, also, es ist ein neues Gebiet. Es ist ein neues Gebiet, und ich denke mir, es war eine Superidee vom Roger, das anzufangen, weil ich glaube, die Zeit ist reif dafür absolut reif. Und wir sollen auf diesem Weg weiter gehen.
9 [0: 33:18] :
9 [0: Wie ihr denn darauf gekommen seid. Das hat mich bei diesem Online-Kurs auch sehr erreicht, dass ihr gesagt habt ja, die Synagoge, das ist ein Bereich. Jüdisches Leben ist auch Kultur und so weiter. Und wir wollen das vermitteln. Wenn du das noch mal erklärst bitte ? Weil ich finde, das großartig ist, auch so zu trennen und damit aber auch Luft zu schaffen, dass man sich überhaupt erst einmal über eine Ecke kennen lernen kann, also so habe ich es verstanden. Was dann die Religion noch einmal wieder, das ist noch wieder ein nächster Schritt. Manchmal reicht es ja schon, wenn man sozusagen den Respekt auch für die andere Kultur auch entwickelt ?
16 [0: 33:52] :
16 [0: Ja, so wie gesagt, die jüdischen Gemeinden. Es gibt ja in Bayern 17, mittlerweile, sie sind immer um die Synagoge herum aufgebaut, was auch richtig ist, weil es mit jüdischem Leben wirklich zu tun hat, von Geburt bis zum Tod, mit dem Kultus, mit den Feiertagen, mit den Festtagen, mit den Gottesdiensten, mit allem eigentlich, was ein tatsächliches jüdisches Leben zu tun hat und verwaltet wird. Dass es einmal die Synagoge und es gab eigentlich sehr wenig bis zu gar nichts für diesen zweiten Bereich. Einfach jüdisches Kultur.
16 [0: Und wie ich sage. Seit 1700 Jahren war das kein Vakuum. Es war hier ,selbstverständlich leider durch den Zweiten Weltkrieg total unterbrochen, vernichtet und ein Riesenloch entstanden, aber nach 45 ist wenig dagewesen. Also als wir 2009 die Janusz Korczak Akademie gegründet haben, war das uns wahnsinnig wichtig, jüdisches Leben wieder in die Erinnerung und in die Realität wieder zurückzubringen. Und so ist „ David - Stern und Lederhose“ entstanden, dass wir wirklich in allen sieben bayerischen Bezirken zurückgegangen sind, in die Archive, in die Geschichte und geschaut haben. Was war denn, wo heute ja überhaupt kein Jude mehr lebt ja in kleinen Ortschaften und so weiter. In den größeren Städten wie Fürth, Nürnberg und so weiter. Straubing ja , wo auch die Gemeinden existieren. Was war die Geschichte? Und so haben wir das aufgearbeitet, um zu zeigen, dass jüdische Geschichte und Bayerische Geschichte, Heimatgeschichte ist, dass sie so wahnsinnig in einer Symbiose gelebt haben. Es gab gute Zeiten, es gab schlechte Zeiten, aber wir waren da, und wir sind auch da. Und das wollten wir zeigen. Und das zeigen wir ja auch. Also mit allen unseren Projekten auch. Ja,
9 [0: 35:51] :
9 [0: Ist es auch eure Erfahrung, also so, wie ich es jetzt gesagt hab, was bei mir auch ganz positiv auch angekommen ist, aber ist es auch, was, was ihr auch anders gespiegelt bekommt das, das Menschen einfach die Schwelle niedriger macht, sich mit Eurer Kultur auseinanderzusetzen?
35 [0: 36:04] :
35 [0: Ja, genau. Also das ist ja Janusz-Korczak-Akademie, dass unsere Türen offen sind. Ja, wir sind keine Religionsgemeinschaft oder Gemeinde. Zu uns kann man einfach klingeln oder anrufen und dazu kommen und eingeladen werden durchs Newsletter zu allen unseren Programmen und die Gemeinde mit ihrer Kultus-Abteilung, mit der Religion. Und das alles ist auch da. Aber das ist ein Bereich für sich. Ja, wir sind das das niederschwellige, wie du richtig gesagt hast. Und bei uns kann man einfach anklopfen oder klingeln. Und die Tür ist offen.